Wir gratulieren Marco Trummer herzlich zum einem neuen Vereinsrekord über die Marathondistanz - mit 2:39.22 hat er seine eigene Zeit um über acht Minuten verbessert! Er hat nach dem Zieleinlauf die Erlebnisse wie gewohnt unterhaltsam festgehalten... Viel Spass beim Lesen!
"Erste Tagwache war um 04.30 Uhr. Aufstehen, frühstücken. Dies, um meinem Verdauungsapparat genügend Zeit zu lassen. Dann wieder ab ins Bett.
Zweite Tagwache um 06.00 Uhr. Aufstehen (galt auch für Stefan), anziehen, packen bzw. kontrollieren, ob alles gepackt ist, und ab auf die U-Bahn. Das Start- und Zielgelände war grossräumig abgesperrt, dort hatten nur Läuferinnen und Läufer Zutritt, d.h. Stefan konnte mich nur bis dort begleiten. Also hat er dort gewartet, während ich mich ein wenig eingelaufen habe. Da für mich in Berlin natürlich alles neu war, habe ich ihm dann aber meine Kleider abgegeben und mich zu meinem Startblock aufgemacht, schliesslich wollte ich ja nicht zu spät kommen. Und ausserdem musste ich nochmals aufs Klo, und diesbezüglich präsentierte sich die Situation nicht viel anders als etwa am GP von Bern. Bis zum Startblock war es vielleicht ein Kilometer. Dort ganz in der Nähe reihte ich mich in eine Schlange vor einem der ToiToi-Häuschen. Bis ich endlich an der Reihe war, und das ist kein Witz, war es 08.40 Uhr (der Start war um 08.45 Uhr). Dies lag nicht zuletzt am Herrn vor mir, der sich auf dem WC wohl noch die Lektüre des südamerikanischen Pendants des SonntagsBlicks gegönnt hat... Aber alles halb so wild, denn mein Startblock war wirklich unmittelbar in der Nähe, und die Blöcke A und B (ich war im Block B eingeteilt) waren zudem ziemlich klein, sodass ich mich nicht mehr gross vordrängen musste.
08.45 Uhr. Der Startschuss fällt. Ein grosses Gedränge gab es nicht. Trotzdem dauerte es rund 20 Sekunden, bis man wirklich laufen konnte. Der erste Kilometer war etwa in der anvisierten Zeit zurückgelegt. Ebenso die folgenden. Das grosse Slalomlaufen blieb aus, die Einteilung der Startblöcke funktionierte wirklich gut. Bei Kilometer 7 lief ich zum ersten Mal an meinem "Fanclub" vorbei. Nebst Stefan waren gestern Samstag noch weitere sechs Personen aus meinem Bekanntenkreis aus der Schweiz angereist. Zu diesem Zeitpunkt ging alles noch ziemlich locker.
Erst etwa bei Kilometer 10 hatte ich meine Position gefunden, d.h. ab da wechselten die Läufer um mich nicht mehr gross. Einige Kilometer später fand ich jemanden, der anscheinend ziemlich genau meine angestrebte Pace lief. Der Mann lief wirklich wie eine Uhr, also habe ich mich an seine Fersen geheftet. Und dies ziemlich lange. Bei Kilometer 19 rannte ich zum zweiten Mal an Stefan und Co. vorbei. Es lief immer noch alles rund. Das mir von Stefan hingehaltene Plastiksäckli mit einigen Basler Leckerli lehnte ich noch ab. Da ich wusste, an welchen Punkten mein "Fanclub" jeweils stand, konnte ich da jeweils nach ihm Ausschau halten. Ansonsten war mein Blick starr auf den Rücken oder Arsch meines Vordermannes gerichtet.
Langsam merkte ich aber, dass dieser Mann pro Kilometer einige wenige Sekunden schneller lief, als mir eigentlich lieb war. Ich hatte also die Möglichkeit, weiter an ihm dranzubleiben, oder etwas Tempo rauszunehmen und abreissen zu lassen. Dann wäre ich allerdings wohl auf mich alleine gestellt gewesen. Deshalb entschied ich mich für ersteres. Die Halbmarathonmarke passierte ich in 1:17.27 h. Damit war ich genau im Fahrplan. Mein angepeiltes Zeitfenster für den Marathon war nämlich 2:32 h bis 2:37 h. Angelaufen bin ich die Pace für eine 2:35er Zeit.
Auf der zweiten Streckenhälfte waren die Beine natürlich schon nicht mehr so frisch. Die Pace von 3:40 min/km zu halten ging nicht mehr "von alleine". Wenn wieder mal eine Kilometertafel kam, freute ich mich schon mehr als noch ganz zu Beginn. Aber natürlich wusste ich, dass ein Marathon erst auf der zweiten Hälfte wirklich begann. Als es dann gegen Kilometer 30 zuging, hatte ich wohl einen Energieanfall oder so ähnlich. Auf jeden Fall hatte ich plötzlich das Gefühl, ich könne noch etwas schneller als mein Vordermann (der immer noch der gleiche war). Also überholte ich ihn, was im Nachhinein betrachtet eher nicht die beste Idee war...
Bei Kilometer 32 waren schon wieder Stefan und Co. zugegen (ein letztes Mal, zu meinem Zieleinlauf haben sie es leider nicht rechtzeitig geschafft). Die Basler Leckerli nahm ich diesmal dankend an. Ich war froh um die Kalorienzufuhr. Ich konnte mir zu diesem Zeitpunkt ausserdem endlich einreden, dass es jetzt nur noch 10 Kilometer bis ins Ziel sein würden. Doch plötzlich wurden die Beine schwerer und schwerer. Nun gut, etwas anderes kann man bei einem Marathon ab Kilometer 30 nicht erwarten, also einfach weiterlaufen. Wenn meine GPS-Uhr jeweils vibrierte, weil ich wieder einen Kilometer abgespult hatte, mochte ich ab da aber nicht mehr auf die Uhr schauen. Ich lief einfach so schnell, wie es noch ging. Die Pace pendelte sich aber um die 3.50 min/km ein.
KAAAAWWWUUUUUMMMMM! Und dann fand er doch zu mir, der viel zitierte Hammermann. Es fühlte sich an, als würde Thor höchstpersönlich auf die Erde herabsteigen und mir seinen Hammer in die Fresse hauen (Wer hat Marvel's The Avengers gesehen?). Wir schreiben den 39. Kilometer. Der war echt brutal. 4.24 min. Egal, bis zu diesem Zeitpunkt lag ich alles andere als schlecht im Rennen. Nur noch 3 Kilometer bis ins Ziel. Einfach weiterlaufen, auf keinen Fall gehen! Ich hatte mir geschworen, im Kopf stets positiv eingestellt zu sein, auch wenn ich leiden würde. Tatsächlich brach ich nicht vollends ein, sondern konnte mich etwas fangen. Die verbleibenden Kilometer bis ins Ziel gingen wieder leicht schneller, etwa in je 4.15 min. Dass ich da noch von einigen Läufern überholt wurde, war mir egal. Es kam nichts mehr aus meinen Beinen, absolut gar nichts mehr. Plötzlich hat mich dann noch jener überholt, dessen Rücken ich während etwa 20 Kilometern vor mir hatte. Jaja, hätte ich ihn nur nicht überholt... Zwischen Kilometer 41 und 42 kam ich dann endlich auf die Strasse "Unter den Linden". Von da an konnte ich das Brandenburger Tor sehen. Ich befand mich somit auf der langen Zielgeraden. Als die Berliner Sehenswürdigkeit passiert war, endlich der Blick auf den Zielbogen. Mich einfach irgendwie dorthin schleppen! Noch 300 Meter.
Geschafft! Das Ziel passiere ich nach 2:39.22 h. Jetzt nur nicht enttäuscht sein, das ist immer noch eine super Zeit! Unter 2:40 h, und damit fast 8 Minuten schneller als bei meinem Marathondebüt letztes Jahr in Winterthur. Der Schluss war zwar brutal hart, aber der Einbruch ab Kilometer 35, der kommt bei den besten Läufern vor. Auch jetzt, einige Stunden nach meinem Zieleinlauf, bin ich zufrieden mit meiner Zeit, und ich denke das darf ich auch. Hier noch einige Daten aus der Rangliste (Stand um 17.10 Uhr):
Overall Männer und Frauen: Rang 183 von 28999
Männer overall: Rang 173 von 22209
Männer Hauptklasse: Rang 30 von 1798
Schweizer Teilnehmer: Rang 9 von 771
Schweizer Teilnehmer in der Hauptklasse: Rang 4
Die Stimmung entlang der Strecke ist übrigens fantastisch! Überall hat es Zuschauer, während 42 Kilometern. Zwar hat es mal mehr und mal weniger, aber dass gar niemand am Streckenrand steht, kommt auf der ganzen Strecke nicht vor. Es war auf jeden Fall ein Riesenerlebnis. Die schmerzenden Beine sind da schnell vergessen.
Ganz nebenbei wurde heute ja noch ein neuer Weltrekord gelaufen. Dennis Kimetto heisst der Glückliche, der in 2:02.57 min über die Ziellinie lief und den Weltrekord um nicht weniger als 26 Sekunden verbesserte. Das habe ich irgendwo unterwegs noch von einem Speaker mitbekommen. Da vorne ging also ganz schön die Post ab. Und ich kann jetzt sagen: I was part of it!
Liebe Grüsse aus Berlin
Marco"
Text und Foto: Trummers - die Laufbrüder